Der Zauber des lebendigen Wortes
Was immer Menschen aus den vielfältigen Kulturen unserer Welt
unterscheidet - was sie besitzen, woran sie glauben, wie sie zusammenleben,
ihre Behausungen, ihre Feste und wohin die Sichel des Mondes an ihrem Himmel
weist - eines gehört zum menschlichen Dasein noch im entlegensten
Winkel der Erde: Geschichten!
Wer weiß, an welchem Feuer auf welchem Kontinent Menschen erstmals
die Langeweile entdeckten und einen Weg zu ihrer Vertreibung fanden. Einen
Weg, der bis in unsere Zeit führt. Indem sie begannen, sich zu unterhalten.
Indem sie ihre Erlebnisse und Erfahrungen reflektierten, ihnen einen Rahmen
gaben, das Spannende, das Lustige, das Lehrreiche oder das Dramatische
daran hervorhoben. Indem sie Reales mit ihrer Fantasie verflochten und
es zur Erbauung der Gemeinschaft weitergaben.
Geschichten und Märchen sind Schatz und Erbe der Menschheit über
alle Grenzen hinweg. Und wir wissen nicht, was uns mehr an ihnen reizt:
das Fremde, Eigenartige, Exotische - oder das Erstaunen darüber, wie ähnlich
manchmal die Anlässe sind, aus denen heraus Menschen lachen oder nachdenken,
sich begeistern oder den Atem anhalten - jenseits aller kulturellen Eigenarten.
Geschichten schaffen Verbindung. Tiefe Weisheit verbirgt sich im Gewand
eines Schelmenstreichs, Götter werden zu Menschen, Bettler zu Genies.
Und - wo Geschichten erzählt und gehört werden, entfalten
Menschen aufs Neue eine ihrer erstaunlichsten Fähigkeiten, eine Gabe,
die in der Medienflut unserer Tage oft wenig Nahrung findet: die Fantasie!
Eine gute Geschichte erzählt von Veränderung...
Ich erinnere mich, dass ich nachsitzen musste und wütend darüber
brütete, warum die Schule sich weigerte, mir zu helfen – mir
der Person, nicht mir, dem Schüler... Ich wollte, dass meine Ausbildung
...mir half, Beziehungen zu Menschen aufzubauen. Ich wollte etwas, von
dem ich nicht wusste, ob es existierte, das aber „Die Schauspielkunst
als Selbstvervollkommnung“ hätte heißen können, und ich
hatte recht, es zu wollen. Es hätte dazu beitragen können, mich
zu retten - und Millionen andere.
Keith
Johnstone
Die Erinnerung ist keine Aufzeichnung der Vergangenheit,
sondern ein sich wandelnder Mythos des Verständnisses,
den die Psyche aus ihrem Dialog mit der Welt entwickelt.
John Daniel
Dreißig Speichen treffen die Nabe
Die Leere dazwischen macht das Rad
Lehm formt der Töpfer zu Gefäßen
Die Leere darinnen macht das Gefäß
Fenster und Türen bricht man in Mauern
Die Leere damitten führt ins Zuhaus
Das Sichtbare bildet die Form eines Werkes
Das Nicht-Sichtbare schafft seinen Wert
Laotse
Qualitatives Wachstum vollzieht sich wie die Gestaltung eines Kunstwerkes:
nicht mechanisch, nicht auf Anordnung, aber auch nicht aus bloßem
Zufall... Das Elixier jeder Entwicklung ist Kommunikation.
Bernd
Isert, Dipl. Kybernetiker und Gründer des „forums für Meta-Kommunikation“
Beunruhigenderweise bedeutet also, „ganz da“ zu sein: nicht alles in der Hand zu haben! ... Sind nicht unzählige Momente im Leben und auf der Bühne die Konfrontation mit dem Unvorhergesehenen?
Jetzt muss nur noch einer kommen und behaupten, dies seien doch gerade die interessanten, die wichtigen, die bewegenden Augenblicke – die, von denen man gern erzählt!
Heißt das womöglich für uns Erzähler, nicht nur auf die Zuhörer wirken zu wollen, sondern bereit dafür zu sein, dass auch auf uns da vorne etwas wirkt? Immer wieder, immer neu? Beeinflussbar, auch angreifbar zu sein? Verletzlich womöglich? Veränderbar?!
Als Zuhörer haben wir ein feines Gespür dafür, ob die Möglichkeit von Veränderung in der Luft liegt. Und dies ist meine größte Gewissheit: es gibt nichts, das spannender wäre, nichts, das mehr berührt und bewegt – als Veränderung.
Und kaum etwas, das wir mehr scheuen.
Peter
Glass
Man hatte vor tausend Dingen Angst,
vor Schmerzen, vor dem eigenen Herzen,
man hatte Angst vor dem Schlaf,
Angst vor dem Erwachen, vor dem Alleinsein,
vor dem Tode, namentlich vor ihm, dem Tode.
Aber all das waren nur Masken und Verkleidungen.
In Wirklichkeit gab es nur eines, vor dem man Angst hatte:
Das Sich - fallen - lassen,
den Schritt ins Ungewisse hinaus,
den kleinen Schritt hinweg,
über all die Versicherungen, die es gab.
Und wer sich einmal, ein einziges Mal hingegeben hatte,
nur einmal das große Vertrauen geübt
und sich dem Schicksal anvertraut hatte, der war befreit.
Er gehorchte nicht mehr den Erdgesetzen,
er war in den Weltraum gefallen
und schwang im Reigen der Gestirne mit.
Hermann Hesse
Der Wahn, innovativ sein zu müssen, ist das schlimmste Gift im Kulturbetrieb.
Hartmut Lange
Wenn Menschen einer Geschichte begegnen, suchen sie unweigerlich Bezüge
zur eigenen Wirklichkeit. Sie trachten danach, beteiligt zu sein,
einen schöpferischen Raum in ihrem Innern zu öffnen, in dem die
Geschichte ihre Wirkung entfalten kann. Ich glaube, der entscheidende Schlüssel
zu diesem Raum heißt Vertrauen. Findet der Erzähler gemeinsam
mit seinen Zuhörern diesen Schlüssel, wird aus einem Vortrag
ein Ereignis, das alle verändert.
Peter
Glass
Ein japanischer Bogenschütze
am Big Sur wandte sich vom Ziel ab, schoss einen Pfeil weit in den Pazifik
hinaus und rief: „Ins Schwarze!“
Quelle
unbekannt
Again!!!
Keith
Johnstone
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